Christoph Stückelberger: Korruption verhindern

Korruption als Entwicklungshindernis

1 Die Entwicklungsfolgen der Korruption

Folgen der Korruption (besonders der grossen, aber auch der kleinen) sind z. B.:

Fehlleitung der Entwicklung (Fehlallokation von Ressourcen) in zentralen Sektoren (wie Telekommunikation, Gesundheit, Energie, Verkehr/ Transportsysterrie, Verteidigung), indem Investitionen nicht dort getätigt werden, wo sie ökonomisch, sozial und politisch am nötigsten wären, sondern wo z.B. Beamte die höchsten Schmiergeldzahlungen erwarten können,

 

Erhöhte Verschuldung, indem Entwicklungs-Investitionen nicht den erforderlichen volkswirschaflichen Nutzen bringen und damit die Schuldzinszahlungen oder Schuldenenrückzahlungen erschweren!

 

Fehlende Steuer- und andere Staatseinnahmen für öffentliche Aufgaben durch korrupte Steuerbeamte und entsprechend tiefe Zahlungsmoral.


Steuerflucht, indem Korruptionsgeld nicht versteuert wird.

Qualitätsverminderung (z.B. durch Unterschreitung von Normen) und damit verbunden

 

Erhöhte Sicherheits-, Gesundheits- und Umweltrisiken (z.B. Brückenbau mit billigeren Materialien, um Korruptionsausgaben zu kompensieren-, Nachlässigkeit bei Umweltauflagen, Umgehung von Vorschriften der Nachhaltigkeit z.B. in der Holznutzung).

 

Verzerrungen des Wettbewerbs und des Marktes. ökonomische Ineffizienz, indem z.B. Investitionswerte teilweise vernichtet werden und Produkte ohne entsprechende Leistung verteuert werden.

 

Abstossende Wirkung auf potentielle Investoren und Lähmung des Entwicklungsgeistes in einem Land.

 

Vergrösserung des Wohlstandsgefälles (Stärkung kleiner Eliten, Erschwerung des Aufbaus von Mittelschichten).

 

Erhöhung der Intransparenz, Erpressbarkeit und mafioser Praktiken. Vertrauensverlust in Staat und Wirtschaft.

 

Schwächung der moralischen Integrität und Glaubwürdigkeit von Personen und Institutionen.

 

Demokratieverlust, da transparente Entscheide eine Voraussetzung für Demokratie sind und Wahlen durch Korruption verfälscht werden.

 

Geschlechterdimension.- Stärkung derer, die bereits Macht haben (in der Regel die Männer) z.B. im Zugang zu Land, Eigentum, Ämtern und Machtpositionen.

 

Schwächung des Rechtssystems und rechtsstaatlicher Kontrollen bis zur schieren Funktionsunfähigkeit von Regierungen.

 

Stützung von Diktaturen (die sich z.T. mit Schmiergeldzahlungen ihre privaten Sicherheitsapparate finanzieren und so unabhängiger von den Kontrollen der eigenen Parlamente werden) und bewaffneten Rebellenbewegungen.

 

Untergrabung der Akzeptanz der öffentlichen und privaten Entwicklungszusammenarbeit.

 

Die Liste zeigt, dass es eigentlich erstaunlich ist, dass die Hilfswerke sich nicht mit ebenso grossem Einsatz für die Korruptionsbekämpfung wie z.B. für die Verminderung der Verschuldung der Entwicklungsländer einsetzen! Schon rein quantitativ ist die Korruption ein ebenso grosses Entwicklungsproblem wie die Verschuldung! Es besteht zudem die begründete Beobachtung für einen Zusammenhang zwischen der Höhe der Verschuldung eines Landes und dem Ausmass der Korruption (wobei Korruption natürlich nur ein Faktor unter verschiedenen für die Höhe der Verschuldung ist!), ebenso zwischen der Höhe der Verschuldung und der Höhe des Fluchtkapitals im Ausland (Bsp. Nigeria hat 28 Mia. Dollar Auslandschulden und 50 Mia. Dollar Privatvermögen auf ausländischen Konten!). Kredite von IWF und Weltbank verstärken deshalb oft die Verschuldung, wenn sie nicht an Kriterien der Transparenz gebunden sind. Solange die Entwicklungshilfe-Industrie (von IWF, Weltbank und Afrikanischer Entwicklungsbank) nicht denselben Regeln der Transparenz und Rechenschaftspflicht unterworfen ist, die sie von den Hilfe-Empfängern verlangen, wird der Teufelskreis von Hilfe und Verschuldung sicher weitergehen", schrieb neulich ein Forscher in Tansania (Cooksey, 1999).

 

Ebenso dramatisch sind die Folgen der Korruption für die öffentlichen Staatseinnahmen der Entwicklungsländer. Dabei ist nicht nur die grosse, sondern ebenso die kleine Korruption auf lokaler und regionaler Ebene beteiligt. So berichtete mir ein norwegischer Sozialwissenschaftler von seiner neuesten Untersuchung (1999) des Steuersystems in drei Regionen Tansanias, bei der er feststellte, dass in gewissen Gegenden 95 Prozent der Steuern nicht beim Staat, sondern in den Taschen der Steuereintreiber landeten, was zu täglichen Demonstrationen gegen diese und zur Weigerung zur Bezahlung der Steuern führte. Auch Steuerflucht ist eine Folge der Korruption, indem Schmiergelder nicht versteuert werden. In Argentinien soll die Steuerflucht 40-50 Prozent der geschuldeten Steuern betragen! In Kambodscha hat der Staat allein 1996 100 Mio. Dollar Einnahmen aus dem Verkauf von Tropenholz durch Korruption verloren. Das war ein Drittel der gesamten Staatseinnahmen jenes Jahres!

 

Manche Entwicklungskonzepte gehen davon aus, dass Demokratisierung und Liberalisierung der Märkte die Korruption automatisch vermindern und deshalb die besten Rezepte der Korruptionsbekämpfung seien. Was in der Theorie einleuchtet, ist in der Praxis leider oft nicht der Fall. In vielen Ländern ist zu beobachten, dass die Korruption durch Demokratisierung und Liberalisierung noch verschärft wurde. Daraus kann allerdings auch nicht gefolgert werden, dass Demokratie und Marktwirtschaft besonders korruptionsanfällig seien, was historisch ebensowenig wie das Gegenteil zu belegen ist. Eine mögliche Erklärung liefert der frühere Generaldirektor der EU-Entwicklungszusammenarbeit und Gründungsmitglied von Transparency International, Dieter Frisch: "Die Erklärung für den scheinbaren Widerspruch zwischen Theorie und Praxis liegt wohl darin, dass sich die besagten Gesellschaften in einem Obergangsprozess befinden, dass ein System zu Ende ging und das neue noch nicht wirklich etabliert ist." (Frisch, 1999, 97). Transitionsphasen und Transformationsprozesse sind oft mit Schwächen und Unsicherheiten des Rechtssystems verbunden, die die Korruption begünstigen.

 

Korruption ist eine vielfache Demokratiegefährdung: von fehlenden Steuereinnahmen und Steuerflucht über die Erpressbarkeit von Beamten bis zur Verfälschung von Wahlergebnissen. Eine zunehmende Korruptionsursache bilden die steigenden Kosten für Wahlkämpfe, die dann von den Gewählten mit Entgegennahme von Schmiergeldern nachträglich beglichen werden.

3.2 Wer profitiert von Korruption., wer leidet unter ihren Folgen?

Korruption kennt Gewinner und Verlierer. Verlierer sind in der Regel die Armen, auch wenn sie selbst der kleinen Korruption als Überlebensstrategie nicht entrinnen können, und die Gemeinschaft: Die Armen leiden am stärksten unter den enorm hohen volkswirtschaftlichen Kosten der Korruption, unter dem Machterhalt kleiner Eliten durch Korruptionsmittel, die sie erhalten, unter Sicherheits- und Gesundheitsgefährdungen durch ökologische oder bauliche Risiken, unter korrupten Richtern, die ihre Rechte beugen, unter fehlenden staatlichen Steuereinnahmen, die für staatliche Basisdienste in Bildung und Gesundheit nicht vorhanden sind usw. Zudem hat Korruption auch eine Genderdimension (speziell damit beschäftigt sich TI Zimbabwe, die dortige Sektion von Transparency International): So sind Frauen vermutlich von den Folgen der Korruption stärker betroffen als Männer, weil Korruption auch dem Machterhalt (Zugang zu Land, Eigentum, Ämtern) dient. In korrupte Praktiken sind - dies eine Vermutung - Männer stärker verwickelt als Frauen. Für Korruptionsbekämpfung sind deshalb Frauen sehr wichtig.

 

Die Gewinner der Korruption sind in aller Regel Einzelpersonen und nicht Gemeinschaften: bereits Reiche, Entscheidungsträger, Beamte auf allen Stufen, die damit ihre Macht ausbauen, aber auch in einem System gegenseitiger Abhängigkeit und Angst leben, die mit der fehlenden Transparenz der Korruptionspraxis verbunden ist. Wer genau von Korruption profitiert und wer unter ihren Folgen leidet, bedarf noch genauerer Studien.

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